... mehr Tatsachen und Vorschläge
Lieber Hans Jürgen Jansen,
Deine Argumentationskette ist makellos. Ich teile sie ohne Abstriche.
Ich möchte gerne ergänzen:
1. Die Anbindung des geplanten Einkaufszentrums an die bestehende Innenstadt
ist völlig ungenügend und dilettantisch geplant. Die potentiellen Besucher fahren für
35 Millionen, die zu Lasten der Steuerzahler gehen, in ein Parkhaus als Sackgasse, und
von dort voraussichtlich gleich wieder nach Hause, wenn sie denn überhaupt kommen.
2. Das Herz einer Stadt schlägt immer aus einer historisch gewachsenen Innenstadt.
Diese haben die Verantwortlichen verkommen lassen. Die größte Sünde war die
sogenannte "Flächensanierung" in den 50-er und 60-er Jahren des letzten Jahr-
hunderts. Andere Städte haben dieselben Fehler gemacht, aber sie haben sie
korrigiert oder sind dabei, es zu tun.
3. Statt 35 Millionen in eine westliche Zufahrt zu dem geplanten Einkaufzentrum zu
investieren, sollte die Stadt das Geld in die Hand nehmen, um das Karstadt-Gebäude
und das Löwencenter aufzukaufen, den gesamten Schrott abreißen und die historische
Frankfurter Straße einschließlich des alten Gasthauses "Zum Löwen" wieder auf-
bauen. Auch in der Grabenstraße und in der Bahnhofstraße wären einige Hinter-
lassenschaften billigster Müll-Architektur zu beseitigen, für die in anspruchsvoller
und nachhaltiger Bauweise Ersatz mit Wohn-, Büro- und Geschäftsräumen geschaffen
werden sollte. Hierfür müsste man Banken und private Investoren gewinnen.
4. Wieso fällt den Verantwortlichen beim Opel-Altwerk immer nur ein Einkaufszentrum
ein. Warum gibt es nicht den Mut zu Visionen? Dass die Hochschule Rhein-Main dort
dauerhaft bleiben und sich ausdehnen sollte, ist eines der Ziele. Ich denke aber mit
Blick auf die Größe des Geländes weiter: Das Land Hessen müsste massiv mit der
Forderung nach einem Hessischen Landesmuseum für Industriekultur konfrontiert
werden. Keine Epoche hat die Geschicke der hier lebenden Menschen mehr geprägt,
als die Industrialisierung seit der Mitte des 19. Jahrhunderts. Das Land Hessen
steckt Millionen in die Verwaltung der Schlösser und Gärten aus der Zeit der Feudal-
herrschaft, es unterhält mit großem Aufwand Landesmuseen in Darmstadt,
Wiesbaden, Kassel und anderswo, aber nirgendwo wird der Kulturgeschichte im
Zeitalter der Industrialisierung ein gebührender Platz eingeräumt. Das Opel-Altwerk
mit seiner bemerkenswerten Industrie-Architektur wäre ein geeigneter und würdiger
Standort für eine einschlägiges Hessisches Landesmuseum mitten in der Rhein-Main
Region. Ein solches Projekt ist das Land seiner Bürgerschaft schlicht schuldig. Die
Rüsselsheimer sollten es selbstbewußt und engagiert verfolgen. Dass so etwas geht
und sehr erfolgreich in jeder Hinsicht sein kann, zeigt das "arme " Saarland mit der
Völklinger Hütte.
5. Wie man hört, will der jetztige Investor bald wieder verkaufen, weil der Betrieb eines
Einkaufszentrums nicht sein Geschäft sei. Na prima! Dann haben wir es ja bald mit
dem nächsten zu tun, der im Grunde mit der Stadt und ihrer Bürgerschaft nichts am
Hut hat. Die Hinterlassenschaften bleiben da, und die Karawane zieht weiter. Hat das
nicht jemand mal "Heuschreckenplage" genannt?
Mit bestem Gruß
Gerhard Löffert
Bürgermeister a.A.
Große Grabengasse 11, 65468 Trebur